Leben und Masken

Wenn man einen Menschen richtig beurteilen will, so frage man sich immer: „Möchtest du den zum Vorgesetzten haben?“

(Kurt Tucholsky, 1890-1935 dt. Schriftsteller)

Ein interessantes Zitat von Kurt Tucholsky – der übrigens heute vor genau 122 Jahren geboren wurde – welches uns die Beurteilung unserer Mitmenschen aus einem anderen Blickwinkel betrachten lässt.

Aber es stimmt – wie oft haben wir schon zu unseren Freunden oder Lebenspartner gesagt: also Dich möchte ich nicht zum Chef haben! Was meinen wir damit genau? Wäre er/sie zu streng, fordernd, diszipliniert, launisch, pingelig, beherrschend, dominant, unumgänglich oder einfach nur schwierig aus unserer Sicht? Meistens denken wir an diese Attribute, wenn wir jemanden nicht als unseren Vorgesetzten haben möchten. Wir assoziieren mit dieser Aussage  überwiegend weniger positiven Eigenschaften – die zu besitzen jedoch für Vorgesetzte in den meisten Fällen sogar zwingend notwendig sind  – um Autorität zu bewahren, Selbstbewusstsein und Stärke zu vermitteln um Mitarbeiter führen zu können. Und es ist bestimmt keine leichte Aufgabe, wo wir doch alle extrem unterschiedliche Charaktere haben.

Wir sollten vielleicht mehr Mitgefühl, Verständnis für Vorgesetzte zeigen, die jene  undankbare Aufgabe haben, es jedem irgendwie Recht zu machen, was an sich schon ein Ding der Unmöglichkeit ist. Sonst hagelt es Kritik – und zwar von jeder Seite. Es gibt viele Menschen, die uns als schwierig erscheinen – das ist jedoch die subjektive Beurteilung jedes Einzelnen. Es ist wie beim Essen – es ist Geschmacksache. Speisen, die uns nicht zusagen oder nicht schmecken müssen wir ja auch nicht essen. Wenn ich aber einen Vorgesetzten habe, dessen Führungsstil, Verhalten mir nicht zusagt – es schmeckt mir einfach nicht – muss ich ihn/sie trotzdem jeden Tag ertragen?

Nun, das müssen wir wohl nicht – wir haben immer eine Wahl. Es steht uns frei, mit welchen Menschen wir 8 Stunden oder länger am Tag am Arbeitsplatz beisammen sind. Wir können auch öfters den Job wechseln, bis wir glauben das für uns optimale Umfeld gefunden zu haben. Aber es ist so: es wird überall etwas geben, was uns wahrscheinlich nicht schmeckt. Die Räumlichkeiten, das Büro, die Branche, Produkte, einige Kollegen und Vorgesetzte. Wir suchen nach Perfektion – aber wir selbst sind doch auch nicht perfekt. Niemand kann das sein.

Es wäre höchstwahrscheinlich einfacher und Energieschonender, wenn wir bei uns selbst anfangen würden. Wenn wir auch unsere eventuellen Unzulänglichkeiten, kleine Macken sozusagen – die wiederum unseren Mitmenschen gewisse Schwierigkeiten bereiten – in Betracht ziehen und über diese nachdenken würden, bevor wir Andere insgeheim oder offensiv mit Kritik bombardieren.

Bei der nächsten Unstimmigkeit oder Auseinandersetzung mit Vorgesetzten könnten Sie sich  zum Beispiel vorstellen, wie es wäre, für 3-4 Stunden mit dieser Person in einem Aufzug, der stecken bleibt, eingesperrt zu sein (bis Rettung kommt). In so einer (Not)situation nimmt man  Menschen ganz anders wahr und lernt andere Wesenszüge von ihnen kennen. Man entdeckt Eigenschaften, die hinter einer harten Schale versteckt werden um die aktuelle Rolle gemäß den hohen Anforderungen in der Arbeitswelt entsprechend spielen zu können.

Ich bin wie ich bin – aber bin ich das wirklich? – fragen wir uns selbst wahrscheinlich oft und fühlen uns mitunter gekränkt wenn uns an den Kopf geworfen wird: also Dich möchte ich nicht zum Chef haben! Dies sollte jedoch nicht nur für Vorgesetzte gelten….

Wer nicht weiß, dass er eine Maske trägt, der trägt sie am vollkommensten.

(Theodor Fontane) 

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Liebe Grüße,

© Sunelly Sims

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